Die
Prinzessin und der Tiger - ein absurdes Märchen
Es war einmal eine niedliche kleine Prinzessin in Absurdistan
- das ist da hinten zwischen Kabul und Samarkand, ihr wißt
schon - , die nicht nur wunderschön war - was die meisten
Mädchen in Absurdistan sind, ihr wißt schon - ,
sondern ganz blond - was in Absurdistan sonst kein Mädchen
war. Und deswegen hatte ihr Vater König Abdulhamid -
ihr wißt schon, der mit dem "das Tischtuch nehma
a mit" - , sie auch nicht Leyla oder Dunya oder, wie
die Mädchen sonst in Absurdistan heißen, genannt,
sondern ANNA.
Und weil sie als einzige unter all den wunderschönen
Mädchen in Absurdistan blond war, waren alle Prinzen
zwischen Bosporus und Hindukusch - und nicht nur die Prinzen,
auch die Kameltreiber! - scharf auf Prinzessin ANNA. Und so
konnte es auch dem schönsten Mädchen in Absurdistan
passieren, dass sie, wenn sie gerade vor Vergnügen quietschend
und seufzend mit einem Prinzen - oder meinetwegen auch nur
mit einem Kameltreiber - im Bett lag, plötzlich unsanft
aus den Höhen der Liebe auf den Boden der schnöden
Tatsachen stürzte, weil sie auf dem Höhepunkt aus
dem Munde ihres Prinzen - oder ihres Kameltreibers - den Satz
hörte: "Ach wärest du nur so blond wie Prinzessin
ANNA!" (Anmerkung des Übersetzers aus dem Absurdischen:
Damals scheint es noch keine Blondinenwitze gegeben zu haben
- zumindest nicht in Absurdistan. Irgendwie scheinen sich
Blondinenwitze im Orient sowieso nicht richtig durchgesetzt
zu haben!)
Und irgendwann dachten alle jungen - und auch die alten, und
sogar die uralten! - Männer in Absurdistan an nichts
anderes mehr als an Prinzessin ANNA: nicht mehr an ihren Beruf,
nicht mehr an all die anderen wunderschönen Mädchen,
ja nicht mal mehr an Fußball! Da beschloß König
Abdulhamid diesen untragbaren Zuständen mit dem für
solche Fälle vorgesehenen Hausmittel ein Ende zu machen:
Prinzessin ANNA mußte so schnell wie möglich unter
die Haube!
Und da Prinzessinnen nicht an irgendjemanden verheiratet werden,
sondern immer nur an andere Könige oder Söhne von
Königen, an denen ausschließlich zu interessieren
hat, wie groß ihr Reich und ihr Vermögen ist, und
nicht im allergeringsten, ob sie jung und schön und nett
zu Prinzessinnnen sind, sollte auch Prinzessin ANNA in einen
solchen sauren Apfel beißen: Sie sollte den alten graubärtigen
Osama Bin Pfotograpsch, König von Digitalien und Analogien,
heiraten, der nicht nur furchtbar alt und furchtbar häßlich
war, sondern überdies schon 138,5 Frauen hatte.
Ihr könnt euch denken, dass Prinzessin ANNA nicht gerade
begeistert war von der Aussicht, den alten Bin Pfotograpsch
heiraten zu müssen! Aber sie hatte noch einen ganz speziellen
Grund, warum sie sowieso überhaupt nicht heiraten wollte:
als sie nämlich noch jünger war, hatte ihr ihr Vater
eines Tages einen schönen gestreiften kuscheligen Tiger
geschenkt, der ganz toll schnurren konnte, wenn sie in streichelte.
Sie nahm ihn überall mit hin, auch ins Bett. Und als
sie größer wurde, brachte sie ihm allerlei Sachen
bei, zum Beispiel auch, wie man mit Mädchen, die größer
werden, im Bett umgeht. Kurz gesagt: sie hatte jede Nacht
im Bett mit ihrem Tiger, der eine schöne rauhe Zunge
hatte, den schärfsten Sex, den man sich überhaupt
nur vorstellen konnte. Alle Prinzen dieser Welt konnten ihr
deswegen gestohlen bleiben - und erst recht so ein alter Zausel
wie Osama Bin Pfotograpsch!
Und als nun Osama Bin Pfotograpsch erfuhr, dass sich Prinzessin
ANNA glatterdings weigerte, ihn zu heiraten, besaß er
nicht einmal genug Selbsterkenntnis , um beispielsweise auf
eine so naheliegende Idee zu kommen, dass das ja vielleicht
mit seinem methusalemischen Alter zu tun haben könnte
- so eingebildet und überzeugt von sich selbst war er!
Aber genau deswegen - jaja, auch von falschen Voraussetzungen
ausgehend kann man auf richtige Gedanken kommen! - kam er
auf die Idee, dass hinter der Sache etwas ganz Besonderes
stecken müsse. Und um das herauszubekommen, bestach er
den halben Hofstaat in Absurdistan mit tollen Fotos - und
prompt erfuhr er dann von der alten Amme von Prinzessin ANNA,
von der er ein besonders schmeichelhaftes Foto - d.h. ein
Foto, auf dem sie bedeutend jünger aussah, als sie war
- gemacht hatte, dass Prinzessin ANNA jeden Nacht mit ihrem
Tiger schläft und auf alle Männer pfeift.
Nun sah Osama Bin Pfotograpsch - weil er eben schon so alt
war - wie ein alter Hund in seinem schon etwas löchrigen
Pelz aus. Aber als König von Digitalien und Analogien
saß er natürlich an der Quelle einer Verschönerungskunst,
für die es überhaupt kein Problem ist, aus einem
X ein U zu machen. Und so wußte er auch gleich ein Mittel,
mit dem er sicher war, es erreichen zu können, doch noch
ins Bett von Prinzessin ANNA zu hüpfen. - Soweit man
in Bin Pfotograpschs Alter überhaupt noch von Hüpfen
sprechen kann!
Er beauftragte als erstes den berühmten italienischen
Maler Edoardo Schmierfinko, der gerade eine Gastprofessur
für absurde Malerei an der absurdischen Akademie der
Künste innehatte, ihm Streifen aufzumalen, damit er aussähe
wie ein Tiger. Und da Edoardo Schmierfinko ein guter absurder
Maler war, und es sich natürlich auch nicht mit seinem
obersten Boss verderben wollte - "wess Brot ich ess,
dess Lied ich sing", ihr wißt schon - , sah Osama
Bin Pfotograpsch am Ende wirklich wie ein kuscheliger junger
Tiger aus. Und dann bestach er noch einmal die eitle alte
Amme - diesmal mit einem Foto, auf dem sie noch einmal zwanzig
Jahre jünger aussah als auf dem letzten Foto, das er
von ihr gemacht hatte - , damit sie dem Tiger Valium unter
sein tägliches Viagra mischte. Und als der Tiger dann
ganz zugedröhnt war, wurde er in einen Sack gesteckt,
aus dem Land geschafft und dem Zoo in Madrid geschenkt, wo
er heute noch sitzt und den andern Tigern von Prinzessin ANNA
aus Absurdistan vorschmachtet, die im Bett eine wahre Offenbarung
gewesen sei - was die anderen Tiger aber mit Augenverdrehen
und einem bedeutungsvollen Tippen an ihre Stirn kommentieren
und als typischen Fall von Hospitalismus verbuchen. Schließlich
weiß selbst der dümmste Zootiger, dass man mit
Prinzessinnen nicht ins Bett geht, sondern sie auffrißt!
Und an Stelle des echten Tigers schlich sich der umgestylte
Osama Bin Pfotograpsch in den Palast und in das Schlafzimmer
von Prinzessin ANNA. Und da er als König von Digitalien
und Analogien ein erfahrener Gewohnheitsschwindler und -hochstapler
war, fiel es ihm leicht, Prinzessin ANNA - die wie alle Prinzessinnnen
nicht sehr kritisch war - zu täuschen, so dass sie sich
nur ein klein bißchen wunderte, warum ihr Tiger plötzlich
noch deutlich schärfer war als früher.
---- Und wenn sie nicht gestorben sind, dann liegen sie noch
heute im Bett und machen Ferkeleien! Jawohl! So absurd kann
das Leben sein: "Mundus vult decipi" - quod erat
demonstrandum!