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reportagen & bilder von unterwegs: niederhorn 2/90...20 sekunden

 

 

 

 

Wenn ich früher die luzerner fasnacht besucht habe - also damals, als die luzerner fasnacht noch dem hergebrachten zeitplan gehorcht hat, fasnacht am schmotzigen dunschtig war, am güdismontig und am zyschtig -, bin ich zwischendrin in der regel für drei tage über den gotthard nach italien ans meer gefahren, ins westliche ligurien bis san remo oder im osten von genova in die cinqueterre, immer auf die gefahr hin, auf dem rückweg vor oder auf dem gotthard wegen starken schneefalls hängen zu bleiben.

1990 war ich stattdessen mit einer mit mir befreundeten schülerin an der ballettschule von maurice bejart in lausanne verabredet. Auf dem weg dorthin, es war ein sonniger freitagnachmittag, schnee war in diesem winter noch kaum gefallen, bin ich kurz nach interlaken nach beatenberg am südhang über dem nördlichen ufer des thuner sees hochgefahren, um mir da oben einen schlafplatz mit aussicht zu suchen. Und weil es am nächsten morgen immer noch schön war, bin ich kurzentschlossen aufs niederhorn hoch.

 

Dort oben hat man eine gigantische aussicht auf die gesamte kette der berge des berner oberlandes mit eiger, mönch und jungfrau im zentrum (zb. bild nieder75-7u8u9u10 oder nieder75-1u2u3 oder nieder75-11u12).

Da auf das niederhorn auch eine seilbahn führt, hat sich über einer steilen schlucht auf der nordseite des niederhorns, also der von den seen und vom berner oberland abgewandten seite, ein beliebter startplatz mit rampe für deltaflieger etabliert (bild nieder75-15). Die Deltaflieger setzten oben auf dem gipfelplateau ihre geräte zusammen hängten sich ins geschirr, liefen die steile über dem abgrund endende holzrampe hinunter, wurden von ihren flügeln aufgefangen und drehten in einer eleganten kurve über mir nach süden ab. Ich hatte mich so platziert, dass ich auf der einen seite die startrampe im blick hatte und auf der anderen seite die drei- und viertausender des berner oberlandes über dem brienzer und über dem thuner see. Für meine bilder folgte ich den von der rampe abfliegenden mit der kamera , um sie dann in zwei- bis dreitausend meter höhe über den seen vor dem hintergrund der berge des berner oberlandes schwebend zu fotografieren.

Am späten nachmittag sah ich dann wieder einen jungen mann die rampe betreten und loslaufen. Aber gleich zu beginn brach einer der beiden flügel ab, wegen der steilheit der rampe war aber kein abbruch des starts möglich. Es war absolut klar, dass der mann in zwanzig oder dreissig sekunden tot sein würde - und dass er das sicher auch wusste. Er stürzte dann wie ein stein - auch so lautlos wie ein stein - in die schlucht und blieb hundert meter unter der rampe auf einem schmalen schneefleck, der sich langsam rot färbte, liegen.

Nach einer viertelstunde erschien der rettungshubschrauber, einer wurde abgeseilt - sicher der arzt - , untersuchte den abgestürzten und sprach dann in sein funkgerät. Vom helikopter wurde ein roter sack herabgelassen, in dem die leiche verstaut wurde, der sack wurde hochgezogen, der helikopter drehte ab (bild nieder75-5), um ein paar minuten später wieder aufzutauchen und den abgesetzten arzt aus der wand zu holen.

Später sah ich den roten sack mit der leiche auf einem tisch vor dem restaurant an der seilbahnstation liegen.

Nachdem ich wieder nach beatenberg abgestiegen war, hörte ich dann auf der fahrt nach lausanne in den nachrichten, dass auf dem niederhorn im kanton bern ein junger deltaflieger tödlich abgestürzt sei. Ob die ursache menschliches versagen oder ein materialfehler gewesen sei, würde untersucht werden.

 

niederhorn 2/90...20 sekunden

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